Die Oderfähre vom "KAP VIADRUS"

Brandenburg - Landkreis Märkisch-Oderland (MOL)

 

“NAVIGARE NECESSE EST"

Plutarch

Dr. Ernst-Otto Denk

 

 

Der Leser wird sich fragen, wo liegt denn das Kap Viadrus? Nun, es ist auf keiner Landkarte zu finden, weil der Verfasser diesen Namen erdacht hat. Um es kurz zu machen, es handelt sich um die unmittelbare Gegend in der Nähe des Fähranlegers bei Güstebieser Loose. Der Name ist abgeleitet von dem Flusszeichen VIADRUS des Künstlers Horst Engelhardt aus Jäckelsbruch auf dem so genannten "Feldherrenhügel" in unmittelbarer Ufernähe.

Die Landschaft um das "KAP VIADRUS" ist für mich aus vielerlei Gründen eine überaus magische und geschichtsträchtige. Sie soll in einem kommenden Heimatbuch gesondert betrachtet werden.

Seit fast 300 Jahren existiert an dieser Stelle des Oderbruchs ein Fährübergang. 1945 änderte sich dieser Zustand abrupt. Die Oderufer wurden zweisprachig, und der Fluss wurde zu einer schwer bewachten Grenze zwischen "Brüderländern", eine Fähre wurde nicht mehr gebraucht, der Weltkrieg hatte sie kurzerhand weggespült.

Dann begann mit dem Jahr 1990 die Zeit des Zusammenwachsens und die Idee nach einer neuen Fähre ward geboren. Jedoch, die Zeit war noch nicht reif dafür.

Ganze dreizehn Jahre später ertönte der Ruf nach einer deutsch - polnischen Fährverbindung aufs Neue und von offizieller Stelle. Auf der Beratung zur Vorbereitung der Feierlichkeiten "250 Jahre Deichdurchstich" bei Güstebiese am 14. März 2002 wurde vorgeschlagen, für diesen Tag als besondere Attraktion probeweise an historischer Stelle eine Pontonbrücke oder eine Fähre durch Bundeswehrpioniere einzurichten. Inzwischen war Polen reguläres Mitglied der NATO und einem Einsatz der Bundeswehr im Grenzgebiet stand nichts im Wege.

Und so geschah das Wunder an der Oder: Am 5. Juli 2003 gegen 5 Uhr begannen dreißig Soldaten der III. Kompanie des Pionierbataillons aus Volkach mit dem Aufbau einer Pontonfähre, die von zwei Motorbooten bewegt werden konnte.

Es herrschte kein besonders schönes Wetter an diesem Tage, aber tausende Besucher strömten dennoch an die Oder, um sich übersetzen zu lassen, und um zu staunen. So wurde die Fähre zur Hauptattraktion der Festlichkeiten anlässlich des Jahrestages der Öffnung des "Neuen Oder Canals" vor 250 Jahren.

Am 12. Juni 2004 war es wieder so weit, dass eine Fähre am "KAP VIADRUS" die Oder querte. Gefeiert wurde das 1. Oderfährfest auf dem linken Ufer der Oder und das 100. Baujubiläum des Güstebieser/Gozdowicer Kirchturmes auf der rechten Seite. Diesmal übernahmen Kräfte des THW Seelow in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr aus Debno /Neudamm den Transport der Fährgäste.

Wie im Jahr zuvor, mussten alle jene am Ufer zurückbleiben, die keinen gültigen Ausweis bei sich hatten. Im Jahre 2005 war der 60.Jahrestag des Kriegsendes der offizielle Anlass erneut eine Fährverbindung über die Oder einzurichten. In Erinnerung der Überquerung der Oder durch polnische Truppen im April 1945 übernahm die Ponton-Kompanie des II. Bataillons Szczecin / Stettin die Aufgaben des Fährmannes.

Auch an diesem 16. April 2005 konnte der Andrang der Besucher kaum bewältigt werden. Das zweite Fährfest wurde am 10. September 2005 gefeiert. Wiederum ermöglichten Boote aus Seelow und dem polnischen Debno den Transport der Gäste.

Nun war das Eis endgültig gebrochen und mit Volldampf ging es auf beiden Seiten der Oder an die Einrichtung einer endgültigen Fährverbindung.

Der Leser möge mir das vielfältige politische und ökonomische Hin und Her im Detail ersparen, bis das Fährschiff nach Klärung der Finanzierung und der Förderungssumme durch die EU auf einer Werft im schlesischen Dobrzen Wielki / Groß Döbern auf Kiel gelegt wurde.

Im Oktober war es soweit und die Fähre war fahrbereit. Da ihre Breite jedoch die Maße der Oderschleusen überschritt, mussten die Schaufelräder demontiert werden. Schließlich traf die Fähre am 18. Oktober 2007 auf der Reede vor Gozdowice ein. In großer Eile wurde sie zusammengebaut und durch das Wasserstraßenamt Eberswalde abgenommen.

Der 20.Oktober 2008 war der Tag der Eröffnung der Fährlinie Güstebieser Loose - Gozdowice. Es war ein großer Tag und ein bedeutender für die Infrastruktur des deutsch-polnischen Grenzgebietes. Unsere Fähre sollte wohl etwas Besonderes werden, da sie anders als die polnischen Oderfähren stromaufwärts mit Motorantrieb ausgerüstet wurde.

Anlandung Gozdowice mit der deutschen Pontonfähre am 5. Juli 2003Ablegen eines Fährbootes des THW Seelow vom “Kap VIADRUS” am 12. Juni 2004.

Sie erhielt seitliche Schaufelräder und einen Antriebsdiesel mit 136 PS Leistung. Bei maximaler Auslastung transportiert sie 20 Fahrgäste und 6 PKW.
Die neue Oderfähre, wurde auf den Namen" Bez Graniz" getauft, also "Ohne Grenzen" Der Vorschlag, sie VIADRUS, also "Oder" zu benennen, fand übrigens keine Zustimmung. Vielleicht überlegen sich die polnischen Betreiber, ob man nicht auch die deutsche Übersetzung des Namens hinzufügen könnte. Bei einer Förderung durch die EU von 75 % der Herstellungskosten hat das Fährschiff ein wenig mehr europäische Internationalität als die bisherige polnische Provinzialität verdient.
Am 5.4.2008 fand die Eröffnung der Fährsaison für dieses Jahr unter Anwesenheit des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und zahlreicher Persönlichkeiten des offiziellen Lebens von Märkisch Oderland und der polnischen Seite statt. Im Anschluss daran berichteten in ihren Reden des damaligen Amtsdirektors Dr. Ehling und der Bürgermeister Horst Wilke über die zurückliegende und zukünftige Entwicklung des Oderbruchs. Der Abschluss der Feierlichkeiten war der erste Spatenstich zum sogenannten Info-Punkt.
Wünschen wir dem "KAP VIADRUS" und damit der gesamten Grenzregion eine positive Entwicklung, und dem Fährschiff stets ausreichend Oderwasser unter den Schaufelrädern.
Wie sagte Plutarch doch?: "Seefahrt tut Not!"

Bild 3 Eine polnische Militärfähre im Einsatz am 16. April 2005Bild 4 Frisch aus der Werft angelandet, die noch “verpackte” Oderfähre am Kai von Gozdowice
Die Oderfähre “Ohne Grenzen” bei ihrem Einsatz am 31. Oktober 2007Bild 6 Die nunmehr vorschriftsmäßig mit Rettungsmitteln ausgestattete Fähre im Mai 2008, am Bug der Name des Heimathafens Gozdowice, dem einstigen Güstebiese

 

 

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