Ortsgründungen im Oderbruch

Brandenburg - Landkreis Märkisch-Oderland (MOL)

 

Ein Großteil der alten deutschrechtlichen Städte und Dörfer im Oderbruch sind alle nahezu in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden. Eine der wenigen Ausnahmen bildet dabei Frankfurt (Oder), das bereits 1253 gegründet wurde, was eine überlieferte Gründungsurkunde beweist. Von allen anderen Orten ist das genaue Gründungsdatum nicht bekannt, da es keine überlieferten Gründungsurkunden gibt. Somit geht man bei der

Heinrich, der 1. von Schlesien
Farbrekonstruktion des Hochgrabs Heinrichs II. in der Vinzenzkirche zu Breslau

Bestimmung des Gründungsdatums von der ersten überlieferten urkundlichen Erwähnung aus.
Westslawen besiedelten seit dem 6. Jahrhundert das Gebiet, welches man heute Lebuser Land nennt und ein Gebietsteil des Oderbruchs ist. Etwa in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts fiel der polnische Fürst Mieszko I. ein und unterwarf die dortigen Westslawen. So blieb das Lebuser Land bis Mitte des 13. Jahrhunderts ein Bestandteil des Königsreichs Polen. Doch auch das polnische Königreich zerfiel im 12. Jh. in mehrere Herzogtümer, sodass seit 1218 das Land Lebus dem polnischen Teilherzog Heinrich I. von Schlesien unterstand. Aber auch deutsche Fürsten, wie die Markgrafen von Meißen und Brandenburg, die Landgrafen von Thüringen und die Erzbischöfe von Magdeburg haben in Auge auf das Gebiet Heichrichs geworfen. Um das Land vor dem Zugriff und der Expansion der deutschen Fürsten zu schützen, vergab Heinrich viel Land und Herrschaftsrechte an kirchliche Institutionen und deutsche Adlige. Von Strele, von Schapelow, von Waldow, von Burgsdorff, von Beerfelde die nun ihrerseits bemüht waren, neue Ortschaften mit deutschen Ansiedlern und bereits ansässigen Westslawen zu besetzen. Sogenannte Lokatoren wurden seinerzeit als Gründungsunternehmer mit den Ortsgründungen betraut.
Eine Urkunde von 1232, mit der Heinrich I. die deutsche Ostexpansion entgegnen will, gewährt sogar Bauern und Bürgern bestimmte Vorrechte aber auch Pflichten: „Bei der Verteidigung des Landes Lebus aber sind alle verpflichtet zu helfen, damit ein feindlicher Einfall umso kraftvoller zurückgeschlagen wird“. Den schlesischen Klöstern Leubus und

Kloster Leubus
Das Kloster Leubus nach F.B. Werner (18. Jahrhundert)

Trebnitz überschrieb Heinrich I. 1225 je 400 Hufen und in den darauffolgenden Jahren dem Kloster Naumburg am Bober 200 Hufen, sowie dem Templerorden 250 Hufen. Daraufhin gründete das Kloster Leubus auf seiner Schenkung den Marktort Lubes, welcher heute Müncheberg heißt, sowie die Dörfer Dahmsdorf, Obersdorf und den Wirtschaftshof Münchehofe. Die Dörfer Buchholz, Görlsdorf, Jahnsfelde und Trebnitz legten das Nonnenkloster Trebnitz an.
Das bereits slawisch besiedelte Worin, sowie die Dörfer Diedersdorf, Görlsdorf und (Alt)Rosenthal begründeten die Naumburger Augustinermönche. Das ebenfalls slawisch besiedelte Lietzen und die Orte Heinersdorf, Marxdorf, Neuentempel, sowie Tempelberg legten wiederum der Templerorden an.
Entweder in der Nähe oder an deren Stelle bereits vorhandener slawischen Siedlungen oder auf unbesiedelten Land wurden die nun neuen Orte angelegt. Aus diesem Grund haben viele Orte aus dem Lebuser Land, sowie die Städte Seelow, Müllrose, Lebus und auch Buckow einen Namen aus slawischer Herkunft. Diedersdorf, Friedersdorf, Heinersdorf und Jacobsdorf beispielsweise tragen den Namen der damaligen Lokatoren, also den beauftragten Gründungsunternehmern. Einige Orte wie zum Beispiel Lichtenberg, Quappendorf, Rosenthal und Biegen haben ihren Namen aufgrund von örtlichen Gegebenheiten erhalten.

Den brandenburgischen Markgrafen gelang es dann zwischen 1252 und 1287 das Lebuser Land für sich in Besitz zu nehmen und somit dem deutschen Königreich unterzuordnen. So findet man erste urkundliche Erwähnungen dieser Ortschaften in Schenkungsurkunden, Besitzverzeichnissen oder Besitzbestätigungen. 1252 schloss beispielsweise der Magdeburger Erzbischof Wilbrand mit dem Lebuser Bischof Wilhelm einen Vergleich über die Erhebung des Zehnten im Lande Lebus in welchem die Orte Seelow und Wuhden urkundlich erwähnt werden.
Einen ersten schriftlichen Existenzbeweis von Golzow findet man in der Urkunde vom 4. April 1308 indem der Markgraf Waldemar dem Bistum Lebus „das in der Wiese gelegene Dorf Golsow“ überschreibt. 1354 fand Rathstock seine erste schriftliche Erwähnung in einer Urkunde. So verlieh der Markgraf Ludwig der Römer dem Frankfurter Bürger Ebelin Wal „zwei Hufen ii dem Dorf Rotstok, bei Lebus in der Niederung gelegen“.
Aus wirtschaftlichen Gründen oder durch Seuchen und Kriegseinwirkungen wurden einige Orte und Dörfer von ihren Bewohnern aufgegeben oder entvölkert und nicht wieder neu besiedelt. Man spricht in der Fachsprache hierbei von „Wüstungen“. So entstanden viele Mutmaßungen über Ortschaften die „wüst“ geworden sind, da es schriftliche Erwähnungen von Dörfern gab, die heute aber nicht mehr zu finden sind. 1247 gab es eine Erwähnung des Dorfes Colaz über das es aber später keine Nachricht mehr gibt. Eventuell lag das Dörfchen nordöstlich von Lietzen am Kalisch-See. „Das alte Dorf“ bei Friedrichsaue am Genschmarer See und auch die „alte Dorfstätte“ bei Müllrose lassen ebenfalls Raum für Spekulationen über derartige Wüstungen ehemaliger Ansiedlungen. Ein Dorf namens Jahnswalde zwischen Falkenhagen und Treplin ist bereits bei seiner Ersterwähnung 1405 wüst gewesen, wie auch das 1336 erwähnte Dorf Lapenow zwischen Neuhardenberg (seinerzeit noch Quilitz genannt) und Hermersdorf das noch vor 1460 wüst geworden war. So wurde auch das 1336 erwähnte Dorf Pagram 1500 als wüst bezeichnet und erst um 1600 ein Vorwerk des Rittergutes Rosengarten auf dieser Dorfflur errichtet.

Der märkische Adler, Wappen der Mark Brandenburg seit 1170
Der märkische Adler, Wappen der Mark Brandenburg seit 1170
Wappen aus dem Scheiblerschen Wappenbuch 1450–1480

Das erst im 19. Jahrhundert wieder dörflich gewordene Hackenow wurde bereits 1405 als wüst bezeichnet. Auch das heutige Waldsieversdorf bei Buckow in der märkischen Schweiz wurde wahrscheinlich 1432 von den Hussiten vollständig zerstört und noch 1832 als Wüste Sieversdorf beschrieben und entstand im 18. Jh. wieder als Dorf. Ähnlich wie das Dorf Kunersdorf bei Lebus, welches im Dreißigjährigen Krieg niedergebrannt und völlig entvölkert wurde und ebenfalls Anfang des 18. Jh. wieder besiedelt wurde. Das so neu gebildete Dorf wurde dann 1721 Klein-Kunersdorf genannt und Mitte des 18. Jahrhunderts wiederum in Wüste Kunersdorf umbenannt.
König Friedrich II. löste dann in der zweiten Hälfte des 18. Jh. durch die Trockenlegung des Oderbruchs eine erneute Welle von Dorfgründungen aus. Die neuen sogenannten Kolonistendörfer wurden auf dem neu gewonnenen Land im Barnim, im Kreis Königsberg/Neumark und im Kreis Lebus gegründet. Die neuen Ansiedler auch Kolonisten genannt, kamen aus den anderen preußischen Provinzen und aus dem Ausland. Das älteste Kolonistendorf Neulietzegöricke entstand bereits 1753 mit 47 angesiedelten Familien. Nicht auf königlichen Befehl sondern durch die Herrschaft Neuhardenberg entstand im Kreis Lebus 1757 die erste Dorfneugründung nach der Trockenlegung und erhielt den Namen Kiehnwerder. Acht weitere königliche Kolonistendörfer entstanden im Jahre 1766 und erhielten den Namen: Neu Langsow, Rehfeld, Solikante, Sophiental, Sydowswiese und die 1926 zur Landgemeinde Buschdorf vereinigten Baiersberg, Gerickensberg und Lehmannshöfel.
Auch am Südrand des Oderbruchs und auf der „Höhe“ entstanden jener Zeit neue Kolonien. So entstanden 1776 Neu Mahlisch, Neu Podelzig und Neu Zeschdorf. Erst 1799 entstand Klein Neuendorf als sich 20 Groß Neuendorfer Büdner hier neu niederließen. Diese hatten das Land als Abfindung für die Hütung erhalten. Zu Beginn des 19. Jh. wurden einige Vorwerke der königlichen Domänenämter und adlige Rittergüter parzelliert und in Erbpacht vergeben. Hierzu gehört 1794 Wilhelmsaue, 1801 Neurosenthal, Posedin, Solikante und die Kolonie Pillgram, sowie 1802 Neufeld und 1803 Gieshof. Ferner 1816 Neu Manschnow und 1821 Friedrichaue.

Quellen:
Historisches Ortslexikon für
Brandenburg
Brandenburgisches Namenbuch
Brandenburgische Geschichte,
Herausgeber:
Ingo Materna/Wolfgang Ribbe

Die heutige Siedlungsstruktur entstand im Wesentlichen im Mittelalter und in der Zeit nach der Trockenlegung, sprich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jh. Ich persönlich hoffe, dass man sich bei eventuell künftig notwendigen Verwaltungsreformen etwas

mehr an festen Traditionen, sowie jahrhundertealter Identität und den damit verbundenen Heimatgefühl erinnert und respektiert.


 
Erste urkundliche oder überlieferte Erwähnung Ort Ortsname bei erster Erwähnung überlieferte Bedeutung des Ortsnamen
1109/10 Lebus Lubusz Ort eines Lubusch
1207 Oderberg   als frühmittelalterliche Burganlage erwähnt
1232/45 Müncheberg Lubes, Mönchsberg, Monekeberch Berg der Mönche
1233 Liepe terra Lipina aus dem altslawischen
1234 Kienitz Chinz vom Landschaftsnamen Chinici, wo Leute eines Chyn wohnen
1244 Jahnsfelde Jansuelde Ort eines Jan, Johann
1244 Lietzen Lesniz Ort am Wald (les = Wald)
1244 Marxdorf Marquardesdorp Dorf eines Markward
1244 Trepnitz Trebenitz nach dem schlesischen Trebnitz
1244 Werbig Wirbeke eventuell virba = Weide
1247 Neuentempel Nyentempel neuer Tempel, vom Templerorden
1247 Wriezen Oppidum Wrecne aus askanischer Zeit
1249 Buckow Bucowe von buk = Buche
1252 Seelow Zelou Ort eines Schel
1252 Wuhden Bodin, 1317 Wodyn Ort eines Bodin, oder am Wasser gelegen (woda = Wasser)
1253 Diedersdorf Didriksdorf Ort eines Diderik
1253/1344 Obersdorf Oprechti, Otbrechtstorp Dorf eines Otbrecht
1253 Waldsieversdorf Sifridsdorp Dorf eines Siegfried
1253 Worin Waryne Ort eines Var
1254 Klessin Knutschin evnetuell slawischer Herkunft
1253 Frankfurt (O) Vrankenuorde eventuell von Frankfurt am Main übernommen
1258 Hohensaaten   keine klare Überlieferung vorhanden
1264 Altbarnim Barnim vom Namensgeber Barnim I.
1271 Altfriedland Friedland eventuell vom Kloster von 1230
1272 Fürstenwalde Furstenwalde Ansiedlung am Wald eines Fürsten
1275 Müllrose Molrasen Ort eines Milorad
1287 Alt Mahlisch Maliz Ort eines Maltsch
1308 Golzow Golsow Ort eines Golec oder Golsch
1308 Hohenjesar Geser Ort am See (jezer = See)
1313 Falkenhagen Valkenhagen Zusammensetzung von Falke und Hag
1313 Zechin Zechyn Ort eines Tschech
1316 Bad Freienwalde   keine klare Überlieferung vorhanden
1316 Reitwein Ruthewyn rudowina = Raseneisenstein
1317 Booßen Boz Ort eines Boz (von bog = Gott)
1317 Zernikow Czernkowe Ort eines Tschirnk
1319 Platkow Platkou Ort eines Platk
1320 Ihlow   vom gleichnamigen Dörfchen bei Jüterbog
1320 Kliestow Clistow keine klare Überlieferung vorhanden
1321 Dolgelin Dolgelin Ort eines Dolgola
1323 Friedersdorf Frederichstorp Dorf eines Friedrich
1324 Carzig Kartzk Ort im Rodeland (kartsch = gerodete Stelle)
1325 Mallnow Malnowe Ort eines Maln
1325 Altrosenthal Rosintal Rosental
1336 Gozdowice (Güstebieser) Gustebis aus dem slawischen
1336 Letschin Luczin Ort an der Wiese (luka = Wiese)
1336 Manschnow Manczinowe Ort eines Manschn
1336 Alt Tucheband Tuchbant keine klare Überlieferung vorhanden
1337 Kunersdorf Conrasdorp Dorf eines Konrad
1339 Altreetz Retcz am Flusse gelegen
1341 Petersdorf Peterstorp Dorf eines Peter
1341 Treplin Trepelin eventuell Ort eines Treb
1342 Görlsdorf Gerlachstorp Dorf eines Gerlach
1343 Jacobsdorf Jacobsdorph Dorf eines Jacob
1348 Neuhardenberg Quilitz Leute eines Kvil = Kvilici
1349 Groß Neuendorf Nuwendorff 1820 in Groß Neuendorf = neues Dorf
1349 Ortwig Othwick keine klare Überlieferung vorhanden, eventuell slawisch
1349 Alttrebbin Trebeniken, Trebyn keine klare Überlieferung vorhanden
1353 Sieversdorf Sifridsdorff Dorf eines Siegfried
1353 Wulkow bei Booßen Wolkow Ort wo es Wölfe gibt (volk = Wolf)
1354 Podelzig Podolzig am Tal gelegen
1354 Rathstock Rotstok eventuell von roztok = Flussgabelung
1354 Schönfließ Schönenflies schöner Fließ, Mühlenfließ
1361 Wulkow bei Trebnitz Wulcow Ort wo es Wölfe gibt (volk = Wolf)
1365 Sachsendorf Sassendorp Dorf eines Sachsen
1366 Biegen Dorf zum Bigen An der Biegung eines Gewässers
1375 Gorgast Gorgast Ort eines Gorgast
1375 Altranft Ramfft im Landbuch von Kaiser Karl IV. mit 28 Ackerhufen
1403 Briesen Brisen Birkenort (breza = Birke)
1405 Arensdorf Arnoldesdorff Dorf eines Arnold
1405 Döbberin Dobrin Ort eines Dobr
1405 Genschmar Gentzmer eventuell aus dem germanischen gos = Gans
1405 Gusow Guza eventuell von gusa = Gans, oder rätselhaft -Knoten-
1405 Hackenow Hacnow eventuell aus dem niederhochdeutschen hake = Krümmung
1405 Hathenow Hatenow eventuell aus dem französischen, von Hatenoy
1405 Alt Langsow Lanxow Ort eines Laksch
1405 Petershagen Petirshagen Hag eines Peter
1405 Alt Zeschdorf Czechinsdorff Dorf eines Tschechn
1412 Altwriezen   keine klare Überlieferung vorhanden
1413 Quappendorf Quappendorp nach den Quappen benannt
1450 Altwustrow Wustrowe keine klare Überlieferung vorhanden

 

 

Ortsgründungen nach der Trockenlegung

 

Gründungsdatum Ort Angesiedelte Familien
1723 Friedrichsaue nicht überliefert
1753 Neulietzegöricke 47
1753 Neuwustrow 19
1753 Kerstenbruch 16
1754 Beauregard 20
1754 Grube 10
1754 Neurüdnitz 69
1754 Rathsdorf 21
1755 Karlsbiese 30
1755 Neubarnim 96
1755 Neuglietzen 30
1755 Neukietz b. Freienwalde 16
1755 Neukietz b. Wriezen 20
1755 Neulewin 80
1755 Neumädewitz 38
1755 Neureetz (Königlich Reetz) 58
1755 Neutornow 42
1755 Neutrebbin 131
1755 Vevais 14
1756 Burgwall 7
1756 Eichwerder 31
1756 Heinrichsdorf 17
1756 Karlshof (Vorwerk) 7
1756 Neureetz (Adlig Reetz) 57
1756 Sietzing 32
1756 Wuschewier 62
1757 Kiehnwerder 27
1758 Neuküstrinchen 36
1759 Neubliesdorf 27
1760 Croustillier 15
1760 Neuranft 6
1763 Ferdinandshof 5
1766 Baiersberg (Buschdorf) 46
1766 Gerickenberg (Buschdorf) 46
1766 Lehmannshöfel (Buschdorf) 21
1766 Rehfeld 21
1766 Sophienthal 76
1766 Sydowswiese 41
1766 Solikante nicht bekannt
1767 Neulangsow 107
1774 Karlshof 15
1776 Neu Mahlisch nicht bekannt
1776 Neu Zeschdorf nicht bekannt
1776 Neu Podelzig nicht bekannt
1776 Broichsdorf 33
1799 Klein Neuendorf 20